Samstag, 3. September 2005

Arbeitsleben in Mildura Teil I

Es regnet! Deshalb faellt die Erntearbeit heute aus und wir haben Zeit ohne Ende. Montagnachmittag sind wir hier angekommen und die letzten vier Tage haben wir geschuftet wie die Bloeden. Dienstag und Mittwoch stand jeweils morgens um halb 9 etwas Shedwork auf dem Plan. Das bedeutet wir sortieren Mandarinen. Schlechte auf den Muell, groessenmaessig falsch sortierte in eine Box und immer ein Kilo abpacken in Netze und diese Netze dann in Pappkartons. Ist zwar langweilig, aber nicht weiter schlimm und wir verdienen 13 Dollar die Stunde. Das haben wir jeweils 2 Stunden gemacht bis zur zehnminuetigen Morning Tea Time. Danach sind wir Orangen ernten gegangen.

Donnerstag und Freitag waren wir nur Orangen ernten. Das ist zwar ganz schoene Schufterei, weil die verdammten Orangen manchmal ziemlich tief im Baum drin haengen und man fuer manche auf die Leiter steigen muss, aber wir koennen damit 500-600 Dollar pro Woche verdienen - vorausgesetzt wir koennten jeden Tag arbeiten und es wuerde nicht regnen. Am ersten Tag waren wir schon megaabgefucked, weil wir kaum voran kamen mit unseren Orangen und dachten wir kriegen fuer eine volle Kiste (etwa 1 Kubikmeter) nur 35 Dollar und das Ding wurde einfach nicht voll. War aber ein Missverstaendnis mit unserem Chef Rob, denn es gibt zwei Arten von Orangen. Die einen werden vom Ast abgedreht (picking), die anderen abgeschnitten (clipping), weil sie sonst ganz gerne kaputt gehen. Wir hatten die zum Schneiden, was deutlich laenger dauert, und wie wir abends erfuhren gibt es fuer eine volle Kiste von denen 50 Dollar und nicht nur 35. So waren wir doch noch ganz zufrieden und weil Mittwochs immer Payday ist, bekamen wir jeder einen Scheck ueber 111 Dollar fuer zwei Tage Arbeit. Zum Glueck muss man fuer Farm Work nur 13 statt 29 Prozent Steuern abdruecken. Die Orangenernte waere aber echt nur halb so schlimm, wenn die Fliegen nicht ohne Ende nerven wuerden. Weiss gar nicht, was die immer von einem wollen.

Von Tag zu Tag sind wir dann auch immer schneller geworden und sind jetzt schon absolute Experten im Orangen schneiden wie abdrehen. 100 Dollar pro Tag schaffen wir etwa. Mal abgesehen davon, dass wir hier am Arsch der Welt sind auf dieser Farm, ist es auch ganz okay. Rob und seine Frau Janet fuehren hier Regiment und sind beide sehr nett und locker drauf ("No worries, that’s alright!"). Ausser den beiden gibt es noch Robs Bruder, von dem wir den Namen direkt wieder vergessen und bisher auch nicht wieder rausgekriegt haben (fragen waere jetzt natuerlich peinlich, dann wuerden wir ja eingestehen, dass wir ihn die ganze Zeit nicht wussten), sowie Doug und Vickie, die beide Shedwork machen. Wir wohnen fuer 60 Dollar pro Woche in einem Wohnwagen und kaufen in der Stadt unseren Frass immer direkt fuer eine ganze Woche, denn bis dort sind es locker 50 km und die Fahrt ist bei dem Durst unseres Falcons einfach zu teuer um sie oefter zu machen. Einen Vorteil vom Leben am Arsch der Welt haben wir auch schon entdeckt: Man gibt absolut kein Geld aus fuer irgendwas anderes als Essen. Hier gibt’s ja einfach nichts.

Das coole an der Orangenernte ist, dass wir immer mit dem Trecker aufs Feld fahren. Schliessliche muessen wir ja drei grosse Kisten irgendwie dorthin und voll wieder zurueck befoerdern. Und um an die Orangen in den Baumkronen zu kommen, koennen wir jetzt auch den so genannten Afron benutzen. Das ist ein kleiner Hubwagen mit einem Korb, den man von oben steuert und der einen ohne grosse Anstrengung bis in die hoechste Baumspitze bringt. Macht echt Bock das Teil.

Die Tour am Montag zu dieser Farm war auch schon ganz schoen abenteuerlich. Erstmal dauerte die Wegbeschreibung am Handy stolze 10 Minuten und uns schwirrte der Kopf vor lauter Richtungsangaben sowie Strassen- und Ortsnamen. Ausserdem ist der Ort hier auf keiner Karte verzeichnet. Versucht mal Ellerslie zu finden! Und dann liegt die Farm noch nicht mal direkt in Ellerslie. Besagten Ort zu finden, war dann aber gar kein Problem, aber bis wir dann die Farm gefunden hatten, haben wir sicher noch mal eine Stunde gebraucht. Wir hatten keine Ahnung mehr, wie genau der Weg danach weiterging und so fragten wir ueberall, wo Leute waren nach Rob, denn mehr als den Vornamen hatten wir nicht und das Handy hatte auch schon seit 40 km keinen Empfang mehr. Problem ist nur, dass hier anscheinend jeder zweite Robert heisst und uns keiner wirklich helfen konnte. Zum Glueck hatten wir die Telefonnummer noch und so guckten dann ein paar nette Farmer im Telefonbuch nach und wiesen uns den Weg zu Robert Ridgwell und seinen "Karra Organic Farms".

Wenn keine Sterne am Himmel sind, wird es hier so stockdunkel, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sehen kann. Echt unheimlich. Absolute Schwaerze umgibt einen. Dazu kommt, dass bei etwas Wind wie im Western diese Straeucher durch die Gegend rollen. Und wir dachten immer so was gibt’s nur im Fernsehen. Rob hat uns auch direkt erklaert, dass die Straeucher durch diese Strategie ihre Samen ueberall verteilen. Ein Video haben wir von den Dingern auch direkt gedreht. Etwas nervig sind die allabendlichen Mottenattacken. Unser Caravan ist nicht an allen Fenstern komplett dicht und so schluepft immer mal wieder die ein oder andere durch den Schlitz - angezogen vom Licht. Keine Ahnung wie viele wir schon mit der Fliegenklatsche erlegt haben, aber jetzt haben wir unsere Fenster abgedichtet. In manchen Naechten wird es so kalt, dass wir uns in zwei Schlafsaecke legen muessen. Zum Glueck waren bei unserem Auto noch zwei dabei.

Was uns besonders wundert, ist, wie wenig gearbeitet wird. Um halb 9 wird erst richtig angefangen und um 3 oder halb 4 nachmittags sind alle wieder weg. Wir sind immer mit Abstand die letzten die Mittagspause und Feierabend machen und ich glaube die sind auch ueberrascht, wie viel wir in so kurzer Zeit schon abgeerntet haben. Aber schliesslich sind wir hier ja auch nur um Kohle zu verdienen und nicht um uns die Zeit zu vertreiben. Also wird auch hart angepackt, bis die Muskeln einen irgendwann nicht mehr tragen und die Motivation am Boden ist. Dann noch lecker Essen - aus sind schon richtige Meisterkoeche geworden und wir zaubern uns regelmaessig beste Steaks, Chili Con Carne und aehnliches - und um 9 Uhr ab ins Bett um am naechsten Morgen wieder fit zu sein.

Weil uns heute so langweilig war und wir inzwischen eine regelrechte Abneigung gegen Buecher mit teilweise falschen, unvollstaendigen und nicht zuletzt laecherlichen Tipps fuer Australien-Reisende entwickelt haben, haben wir sogar angefangen unser eigenes Buch zu schreiben - in dem wir natuerlich alles besser machen wollen. Neun Seiten Stichpunkte haben wir dafuer schon gesammelt - in vielleicht gerade mal zwei Stunden. Mal sehen, ob wir das Projekt ernsthaft weiterverfolgen.

Noch etwas: Mal wieder haben wir den Job auf eigene Faust besorgt. Einfach die Zeitung durchgeguckt nach Stellenanzeigen und direkt alle angerufen und Treffer! So eine komische Jobvermittlung hier namens Madec Harvest Office hatte nix fuer uns. Aber besser so! Sonst haetten die bloss noch Teile von unserem Lohn einkassiert.

David Down Under

August 2005 - Mai 2006
Kangaroo Road Sign
Neun Monate Work & Travel in Australien und Neuseeland. Alle, die an meinen Erlebnissen teilhaben wollen, finden hier kurze Berichte und Fotos über meine Reise ans andere Ende der Welt.

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